Juli 2008
von Pfarrer Gerhardt
1.) Wenn Sie jeweils eine historische Person aus der katholischen, der evangelischen, der orthodoxen und der baptistischen Denomination zu einem gemeinsamen Abendessen einladen könnten, wen würden Sie einladen?
Guiseppe Roncalli, den späteren Papst Johannes den XXIII, den evangelischen Theologen Karl Barth, Athenagoras, den ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel und meinen baptistischen Kollegen den Bürgerrechtler, den Friedensnobelpreisträger Martin Luther King.
2.) Sie sind Vorsitzender der Bonner ACK. Was ist eigentlich die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen?
Nach den auch die Kirchen erschütternden Erfahrungen des 2. Weltkriegs, begann ein neues Nachdenken darüber, wie die christlichen Kirchen mehr zusammenwachsen und besser gemeinsam reden und handeln könnten. Neben dem weltweiten Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) bildeten sich viele Nationale Kirchenräte. So auch in Deutschland.
1948 gründeten in Kassel 5 Kirchen - die Altkatholische Kirche, die Baptisten, die Evangelische Kirche in Deutschland, die Mennoniten und die Methodisten die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. Der erste Vorsitzende war der evangelische Pfarrer Martin Niemöller. 1974 traten die Römisch-Katholische Kirche und die Griechisch-Orthodoxe Metropolie als Vollmitglied der ACK bei. Heute umfasst die Bundes ACK 16 Kirchen als Vollmitglieder, 4 Kirchen sind Gastmitglieder und 3 Kirchen haben den Beobachterstatus.
Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) versteht sich selbst als "das repräsentative Forum der Kirchen in Deutschland, die sich im Glauben an die sichtbare Einheit der Kirche in Gebet und Gesellschaft, theologischem Dialog, Mission, gesellschaftlichem und sozialem Handeln engagiert".
3.) Wie lange gibt es die ACK Bonn und wieviele Kirchen, Gemeinschaften gehören zur Zeit dazu?
Die Bonner ACK wurde am 16.01.1975 von der Altkatholischen Kirche, den Baptisten, der Evangelischen Kirche, der Griechisch-Orthodoxen Kirche und der Römisch Katholischen Kirche gegründet. Der 1. Vorsitzende war Erzpriester Sokratis Ntallis von der Griechisch-Orthodoxen Kirche. Heute gehören 15 Mitgliedskirchen zur Bonner ACK.
4.) Eine fiktive Frage: Wenn Gott sich in einem Hotel eintragen müsste, was würde er unter Konfession schreiben?
Ich könnte mir vorstellen, dass ER vielleicht eine uns überraschende Antwort eben würde, vielleicht `ökumenisch`? Gott ist ja doch immer größer als unsere jeweilige Konfession. Ich glaube, wir benötigen uns als unterschiedliche Denominationen mit unseren Gotteserkenntnissen, weil unsere jeweiligen Kirchen doch nicht die Gnadenfülle Christi in sich alleine darstellen. Jeder von uns hat in seiner Konfession sein Maß an Gnade empfangen. Hier steht uns auch wechselseitige Demut als Kirchen sicher gut.
5.) Wie kamen Sie zu Ihrem ökumenischen Engagement, das Sie schon viele Jahre sehr aktiv leben?
Dazu möchte ich zweierlei anmerken.
1.) Im Johannesevangelium Kap.17,21 betet Jesus: "Ich will, dass sie alle eins sind, damit die Welt glaubt". Der Glaube sucht die Einheit und er gibt keine Ruhe, bis er sie im `Du`, im Anderen entdeckt hat. Darum ist der Glaube selbst ein Motor der Ökumene. Dem einen Herrn entspricht der gemeinsame, freilich vielgestaltige Glaube. Ökumene ist für mich - Einheit in der Vielfalt.
2.) Die Theologie eines Menschen ist ja nicht ohne seine Biographie zu verstehen. Ich bin sicher ein eher unregelmässiges baptistisches Verb. Als Schüler besuchte ich ein katholisches Internat, danach studierte ich baptistische und evangelische Theologie und bin seit 25 Jahren Pastor im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland K.d.ö.R. Ferner habe ich in meinem Leben viele Christen aus verschiedenen Konfessionen & Ländern kennengelernt, die - sicher auch bei manchem, was mir in der anderen Tradition fremd blieb - meinen christlichen Glauben förderten und vertieften. Und auch durch meine Tradition konnte ich anderen weiterhelfen. Ebner-Eschenbach sagte mal: " Wer nichts weiss, muß alles glauben". Ich meine, wir wissen oft viel zu wenig über unsere Schwestern und Brüder in den anderen christlichen Traditionen.
6.) Wie sehen Sie die Zukunft der Ökumene?
Ökumene war und ist Bohren von dicken Brettern. Da hilft keine asthmatische Kurzatmigkeit. Entscheidend wird aber sein, dass wir Kirchen uns neu bewußt werden, wofür wir eigentlich da sind, nämlich nicht zum Selbstzweck. Wir sind als Kirchen auch nicht eine Art Verein zur religiösen Denkmalspflege. Wir haben eine entscheidende Aufgabe, wir sollen die Botschaft der Gottes Liebe für die Welt in Wort und Tat so weitergeben, dass der moderne Mensch sie versteht. Gott ist an uns Menschen interessiert und er möchte das unser Leben gelingt. Wo wir den gemeinsamen Auftrag vor Augen haben, werden die Unterschiede zwischen uns nicht aufgelöst, aber sie erhalten ihren zweitrangigen Stellenwert. Wir werden auch entdecken, dass uns als Kirchen viel mehr verbindet als uns trennt. Daher - Ökumene ist die "Zukunftsbranche der Kirche", wie eine Bekannte von mir - Theologieprofessorin - neulich richtig anmerkte. Ökumene ist nicht die Spielwiese unterbeschäftigter kirchlicher Verwaltungsbeamter, sondern sollte Chefsache sein, weil der dreieinige Gott mit seinem Willen und mit seinem Wesen dahinter steht. (Epheser 4,4ff)
7.) Man stellt heute fest, dass christlich-fundamentalistische Kreise Einfluss gewinnen möchten. Wie steht die ACK zu diesem Phänomen?
In einer komplizierten Welt wie der unsrigen heute, wünschen sich manche Menschen wenigstens in Sachen Glauben einfache Antworten. Aus z.T. begreiflicher Sehnsucht nach Vergewisserung im Glauben und nach festen Normen und Werten wird die Bibel, das Fundament unseres Glaubens, zu einem `papierenen Papst` hochstilisiert. Ihre menschliche Seite wird in Abrede gestellt, ihre Geschichtlichkeit ausgeblendet. Die Autorität der Bibel wird in der absoluten Irrtumslosigkeit aller ihrer Einzelaussagen, auch der durchaus zeitbedingten oder naturwissenschaftlich begrenzten, gesehen. Angst regiert die Theologie. Als ACK liegt uns daran, das ernsthafte theologische Gespräch über die Konfessionsgrenzen hinaus zu suchen. Wo der Gesprächspartner eine intellektuelle Verstockheit zeigt, wo er unbelehrbar und dialogunfähig ist, wird es allerdings schwierig. In der Bonner ACK haben wir mit diesem Thema eher in `Spurenelementen` zu tun.
8.) In unserer Stadt sind verschiedene Religionen vertreten. Wie steht es um den interreligiösen Dialog und wie sieht die ACK diese Thema?
Der Dialog zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens ist in unserer Zeit weltweit und vor Ort in Bonn eine unerlässliche Sache. Dazu gehört die Begegnung, das Kennenlernen, das Gespräch. In diesem Zusammenhang fand am 26.08.07 in unserer Stadt der Aktionstag: "Weisst Du, wer ich bin?" statt. Die 3 abrahamitischen Religionen - Judentum, Christentum, Islam - gestalteten gemeinsam einen Tag lang einen bunten Strauß von Kennenlern- und Begegnungsangeboten. Viele Bonner Bürger folgten der Einladung. Diese Aktion sollte eine Fortsetzung finden.
Aber auch mit dem Buddhismus, dem Hinduismus sollten Begegnungsmöglichkeiten geschaffen werden. Eine gute Sache in dieser Richtung war eine Seminartag, den das Ev. Forum, das Katholische Bildungswerk und das Kulturamt der Stadt Bonn 28.05.08 veranstalteten - Titel: `Vielfalt der Religionen in der einen Welt.`
9.) Welches sind die nächsten Projekte der Bonner ACK?
Neben diversen Vortragsveranstaltungen möchte ich besonders auf die 3. Bonner Kirchennacht hinweisen. Am
Freitag vor dem 1.Advent, dem Beginn des Kirchenjahres 2009, dem 28. November, werden wieder ca. 50 Kirchen der Stadt zwischen 20:00 und 24:00 zu ganz speziellen Programmen einladen.
Wie bei der 1. und 2. Bonner Kirchennacht werden wieder ca 10 000 Besucher erwartet.