Thema Altar
(Bonner Ökumenische Nachrichten 2/04, Mai 2004 und 3/04, September 2004)
"Vatikan akzeptiert Chillida-Kunstwerk nicht als Altar"
Der im Jahre 2000 von dem Bildhauer Eduardo Chillida geschaffene dreiteilige Altar wurde aus der Apsis der Kölner Innenstadt-Kirche Sankt Peter entfernt. Grund dafür ist eine Anweisung des zuständigen Kurienkardinals Arturo Jorge Medina Estevez, wie es in einem Brief an die Mitglieder der Kölner Rubens-Gesellschaft heißt. Unterzeichnet ist er vom Pfarrer der Gemeinde, Jesuitenpater Friedhelm Mennekes. Die Kölner Kirche ist überregional durch ihre „Kunst-Station“ als Zentrum für zeitgenössische Kunst und Musik bekannt.
Die dreiteilige Skultur „Gurutz-Aldare“ von Chillida wurde vom Vatikan nicht als Einheit anerkannt, teilte Mennekes mit. Verschiedene Vermittlungsversuche seien gescheitert. Er erwähnt ausdrücklich, daß der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner „in dieser für mich und für alle schwierigen Situation loyal zur Seite stand und für eine behutsame Behandlung unserer Empfindlichkeiten Sorge trug“. Die vatikanische Anordnung schmerze. „Aber ich kann bei aller Achtung vor der Freiheit der Kunst der Kirchenleitung nicht das Recht absprechen, die Vorstellungen, wie ein Altar auszusehen hat, selbst zu bestimmen“, so Mennekes. Die Chillida-Skulptur werde in der Kirche an anderer Stelle aufgestellt. In die Apsis solle ein einfacher Altartisch aus Beton kommen.
Was ist ein Altar?
Überlegungen aus der Perspektive katholischer Liturgiewissenschaft
Die Frage nach dem Wesen der Dinge läßt sich am besten von Grenzfällen her beantworten. Das gilt auch für den Altar. In den vergangenen Wochen gab es eine in der Öffentlichkeit bekannt gewordene Auseinandersetzung um einen Altar in der Kunst-Kirche St. Peter in Köln, der keiner sein durfte. Zum Verständnis der Diskussion muß zunächst etwas über die Entstehung gesagt werden.
Entscheidend für das Konzept von P. Friedhelm Mennekes SJ ist einerseits die klare Unterscheidung von Kunst und Liturgie, andererseits aber auch deren In-Beziehung-Setzen (vgl. F. Mennekes, Begeisterung und Zweifel. Profane und sakrale Kunst, Regensburg 2003). Kunstaktionen unterschiedlicher Art haben zur der umstrittenen und inzwischen geänderten liturgischen Raumlösung geführt. Anlaß der Umgestaltung war eine notwendige Bausanierung. Bei der Renovierung des Innenraums wurden der alte Hochaltar und die vorhandenen Stufen beseitigt. Als Altar dient seit der Wiedereinweihung eine Skulptur „Kreuzaltar“ (Gurutz aldare) von Eduardo Chillida, deren Vorform in den vatikanischen Museen aufbewahrt wird. (vgl. F. Mennekes, Eduardo Chillida. Kreuz und Raum, München 2001). Die komplexe Entstehungsgeschichte im Rahmen des Sanierungskonzepts des Kirchengebäudes kann kier nicht im einzelnen wiedergegeben werden. Sie wurde von Nicolas T. Weiser im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit minutiös dargestellt und publiziert (vgl. N. Weiser, Offenes Zueinander. Räumliche Dimensionen von Religion und Kunst in der Kunst-Station Sankt Peter Köln, =Bild-Raum-Feier 4, Regensburg 2002).
In unserem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß es sich dabei um einen längeren Prozeß handelte. Eine Vorstufe war eine Rauminstallation „The White Mass“ von James Lee Byars (1995), für die das Kirchenschiff vollständig leer geräumt wurde. In dessen exakter Mitte befand sich in einem Carr´ee von vier Stelen aus Carrara-Marmor eine Skulptur „The Ring“ aus demselben Material, darüber hing eine Glühbirne mit 2000 Watt. Die inszenierte Leere wurde auch bei der Feier der Eucharistie durchgehalten: Der Priester trat beim Hochgebet in den „Ring“, statt eines Altars hielten Ministranten die eucharistischen Gefäße. Hier wurde sinnfällig, daß das Christentum keines materiellen Altares bedarf, da Christus selbst „der Priester, der Altar und das Opferlamm“ (Osterpräfation V) ist.
Die Altarskulptur von Chillida hängt insofern mit der Idee der Installation von James Lee Byars zusammen, als die Mitte des Kreuzaltars leer ist. Es handelt sich um drei freistehende Elemente. Beim Eucharistischen Hochgebet tritt der Priester in die Mitte. „Da die Leere das Zentrum des architektonischen Raumes, die Kreuzachse der Architektur markiert, ergibt sich für Mennekes hiermit eine 'dynamische Präsentation'. Wenn er das Innerste der Liturgie vollziehe, trete er in das Innerste des Altares und in das Innerste des Raumes. Das sei eine Identifikation. Das wechselnde Ein- und [Her-]Austreten des Priesters in die Leere des Altars verweist aber noch auf eine andere Sinnebene. Der Priester weise durch sein Verhalten auf die Anwesenheit des ganz Anderen hin, ..., dann nämlich, wenn er aus der Mitte wieder hinaustritt und schlichtweg durch die angespielte Präsenz des Anderen, diese sozusagen mystisch freigibt als anwesend. In gewisser Weise wird hier Christus durch die drei auseinanderstehenden Elemente als innerer, lebendiger Raum interpretiert“ (Weiser 193).
Als Begründung für das Verbot dieses Altars wurde von den römischen Behörden angeführt, daß die Oberfläche der Chillida-Skulptur nicht aus einem durchgehenden Stück besteht, wie in den kirchlichen Bestimmungen vorgesehen ist. Die Argumentation verwundert insofern, als man andernorts, etwa in Italien, Altäre aus drei voneinander unabhängigen Blöcken konsekriert. Gleich wie man zu dem Projekt in Sankt Peter stehen mag: Die erzwungene Umänderung eines in einem künstlerischen Prozeß „gewachsenen“ Kirchenraums, der sich auch liturgisch bewährt hat und von der großen Gottesdienstgemeinde akzeptiert wird, ist kaum plausibel zu machen. Als Grenzfall, der in dieser Weise sicherlich unnachahmlich ist, demonstriert die Skulptur von Eduardo Chillida die Ambivalenz jeder Verdinglichung der Idee von Altar und Opfer aus christlicher Sicht. Glücklicherweise konnte die Skulptur im Kirchenraum an anderer Stelle verbleiben.
Dieses Beispiel zeigt auch die besondere Problematik der Frage der Kunst im Kontext der Liturgie. Der Diskurs kann und darf nicht auf zwei völlig getrennten Ebenen geführt werden: Hier die abstrakte eines theoretischen Dialogs von Kirche und Kunst, dort die konkrete der künstlerischen Ausgestaltung von Kirchenräumen. Ohne Grenzüberschreitungen hätte es kaum einen bedeutenden europäischen Kirchenbau in der Moderene gegben. Rahmenbestimmungen, wie sie durch die Liturgiekonstitution und die Dokumente der Liturgiereform formuliert wurden, sind notwendig. Ihre Umsetzung muß aber als kreativer Prozeß gestaltet werden können. Große Kunst kann aufgrund ihrer prophetisch-kritischen Sprengkraft hier einen wertvollen Beitrag leisten.
Die Aufgabe für die Zukunft besteht darin, eine Mitte zu finden zwischen dem Anliegen, reale Gemeinschaft (communio) durch eine konzentrische Versammlungsgestalt um den Altar erfahrber zu machen und dem Anliegen, die Öffnung der Gemeinde auf die noch ausstehende, vollkommene Gemeinschaft bei Gott zum Ausdruck zu bringen. Die Spanne zwischen dem Schon und dem Noch nicht, wie sie im Weihegebet der Altarweihe zum Ausdruck kommt, gilt es auszuhalten, wie im Weihegebet formuliert: „Dieser Altar sei die Mitte unsere Lobens und Dankens, bis wir nach dieser Zeit die Freude der ewigen Heimat erlangen. Dort weihen wir dir ohne Ende das Opfer des Lobes auf dem lebendigen Altar, unserem Hohenpriester Jesus Christus [...].“
Prof. Dr. Albert Gerhards, Seminar für Liturgiewissenschaft,
Kath.-Theol. Fakultät der Universität Bonn
Der Altar aus lutherischer Sicht
Bei der Renovierung einer kleinen lutherischen Dorfkirche im Osnabrücker Land wurde ein Blockaltar in den Chorraum gestellt. Das führte zum Aufruhr der Lutheraner: Wir wollen einen Abendmahlstisch! Es stimmt: Für Luther war der Altar wesentlich Abendmahlstisch, nicht mehr Meßopferstätte. “Der Priester solle sich am Tische immer zum Volke kehren” (Luther). Nebenaltäre wurden überflüssig. Die Dorfgemeinde einigte sich mit dem Künstler: Christus, der Sohn Gottes, ist in die Mitte unseres irdisch-menschlichen Lebens eingegangen und hat mit seinem Tod und seiner Auferstehung die Welt verwandelt. Das bezeugt der “Schutzstein”, der Altar, manchmal auch “Freiheit” genannt (Wer bis dorthin gelangte, stand unter dem Schutz der Kirche und konnte nicht mehr verfolgt werden).
Trotz Luthers Anweisung blieb es in den lutherischen Kirchen meist bei den alten Block- oder Kastenaltären und bei der Hinwendung des Liturgen zum Altar. Vielfach ist auch der sogenannte Retabel-Altar zu sehen, der Blockaltar mit Aufsatz (Flügelaltar, Bildaltar).
Die vier Seiten des “Schutzsteines” (auch “Grenzstein” symbolisieren die Umrisse der reforma-torischen Abendmahlslehre. Hier in Kurzfassung: Keine anderen Worte als Christi Stiftungsworte dürfen rezitiert werden (1). Die Gaben Brot und Wein werden dargebracht und aufgeteilt. Keine anderen Gaben können diese Gaben ersetzen (2). Zum Essen und Trinken, zu nichts anderem, sind die Gaben bestimmt (3). Der Glaube der Kirche in der Gemeinde und das persönliche Einstimmen in diesen Glauben gehören dazu (4).
Für die lutherischen Kirchen der Neuzeit gibt es kein “Altargesetz”. Der Abendmahlstisch ist in der Regel etwas erhöht (von daher immer noch die Bezeichnung “Altar” aus alta ara, lat. “erhöhter Aufsatz”) und feststehend. Bemerkenswert ist, daß die Brüdergemeine trotz Zinzendorfs lutherischer Herkunft und Theologie nie einen Altar kannte, sondern sich mit einem Tisch begnügte, auf dem ein Pultaufsatz für den (sitzenden) Prediger steht.
Der Altar wird in lutherischen Kirchen reichhaltig gedeckt. Wilhelm Löhe sieht den Altar an “als den Ort der schönsten Zier der Kirche, zu dessen Ausstattung die Christen aller Zeiten geopfert haben”. Mit einem Antependium in den Farben der Kirchenjahreszeit wird er geschmückt: Weiß für den Christusfestkreis als Sinnzeichen der unbedingten Wahrheit Gottes; Rot für Pfingsten und kirchliche Gedenktage als Zeichen des Feuers des Heiligen Geistes und des Blutes der Märtyrer, Evangelisten und Apostel; Grün steht in den festlosen Zeiten für Waschtum und neues Leben; Violett sowohl in der Advents- als auch in der Fastenzeit (Bußzeiten).
Bedeckt wird die Altarplatte (mensa) mit weißem Leinen. Auf dem Altar stehen die Kerzen (nicht mehr als sechs). Oft in der Mitte der Kerzen das Kruzifix (Jesus Christus, Licht der Welt und die sich selbst verzehrende Liebe Gottes). Die Agende, Buch für die gottesdienstliche Handlung, liegt aufgeschlagen. Der Blumenschmuck (nur Schnittblumen, aus Spenden als Opfer der Gemeinde) symbolisiert das Wirken des Schöpfers. Die heiligen Geräte (vasa sacra), Hostienschale und Brotteller (Patene), Kelch und Kanne werden auf dem Korporale bereitgestellt und durch ein Velum (Hülle) bedeckt.
P.i.R. Hans-Ulrich Otto
Der Altar in der evangelisch-reformierten Tradition
Die Reformation bedeutete das Ende des Altars als Stätte des Opfers, an dem ein Priester seine priesterlichen Funktionen ausübt.
Auch für Luther war der einstige Altar nun Abendmahlstisch der Gemeinde, hinter den der Pfarrer, der „der sich immer zum Volk kehren“ sollte. zu treten hatte. Aber während die lutherischen Kirchen diese Empfehlung Luthers weithin nicht umsetzten, sondern bei den alten Gewohnheiten blieben, waren die „nach Gottes Wort reformierten“ Kirchen in der Folge Zwinglis und Calvins konsequent.
Während Luther zuließ, was die Heilige Schrift nicht verbot, ließen die Reformierten nur das zu, was in der Schrift geboten war. Darum kennen die Reformierten keinen Altar. Er war überflüssig, weil der Pfarrer den Gottesdienst von der Kanzel aus leitete. Ein kleiner, oft hölzener Tisch für die Feier des Abendmahls, für Brot und Wein und eventuell für weitere Gegenstände, die im Gottesdienst benötigt wurden, genügten.
Giesela Thimm
Der Altar nach orthodoxem Verständnis
Der Altar ist der Ort, auf dem die Gaben dargebracht werden, damit diese nach unserer orthodoxen Lehre durch die göttlichen Energien des Heiligen Geistes in Leib und Blut Christi umgewandelt werden.
Beim Thema „Altar“ blieb die christliche Literatur der Kirchenväter allerdings nicht wortkarg. Damit man die Bedeutung des Altars im liturgischen Leben der Orthodoxie besser verstehen kann, ist folgender Satz sehr hilfreich: Die Weihe eines Altars gleicht der Kirchweihe. Nach einem sehr alten und ehrwürdigen Ritus, der mehrere Stunden dauern kann, vollzieht man die Reinigung, die Salbung und damit die Weihe des Altars, die der Weihe einer orthodoxen Kirche entspricht.
Mit dem Wort „Altar“ übersetzt man unglücklicherweise die beiden griechischen Bezeichnungen für den Altar: „Hagia Trapeza“ (wortwörtlich: Heiliger Tisch) und „Thysiastirion“ (wortwörtlich: Opferstätte). Unglücklicherweise, weil die griechischen Bezeichnungen die symbolische Bedeutung des Altars widerspiegeln können. „Heiliger Tisch“ ist freilich der Tisch des Abendmahls; „Opferstätte“ bezeichnet den Ort, wo das Lamm (Gottes) dargebracht wird. Somit hat man die beiden wichtigsten Elemente einer Liturgie (auf Deutsch kann man „Messe“ sagen) vor Augen. Jesus Christus, unser Herr ist der Dargebotene (vgl. „Opferstätte“) und der Darbietende (vgl. „Heiliger Tisch“). Außerdem ist man damit weit von der hebräischen Tradition entfernt, die den Altar als reine Opferstätte betrachtet.
Den Altar kann man als einen Altar im Sinne eines erhöhten Aufsatzes (aus dem Lateinischen) betrachten. Es handelt sich um eine rechtwinklige Platte, die in der Regel auf einem Bein oder auf vier Beinen steht. Je nachdem hat die orthodoxe Tradition das symbolisch erklärt: Das eine Bein ist Christus, das Fundament unseres Glaubens, die vier Beine sind die vier Evangelisten, auf deren Berichten unser Glaube beruht. Obwohl man in der altkirchlichen Zeit das Holz als Baumaterial für den Altar bevorzugte (weil aus Holz der Tisch war, worauf unser Herr das Abendmahl feierte), wurden im Verlauf der Zeit Altäre aus Stein oder Marmor gebaut. In den größten Kathedralen der Christenheit hat man auch Gold, Silber bzw. Edelsteine verwendet. Er wird mit besonderen, nur für einen Altar bestimmten Tüchern bedeckt.
Der Altar befindet sich in der Mitte des Altarraums, der normalerweise den östlichen Teil einer Kirche bildet. Der Altarraum, in der Regel durch die Ikonostase vom Kirchenschiff getrennt, ist ein Raum nur für die Priester und die Mitwirkenden in einer Liturgie. Dahinter befindet sich der Gekreuzigte. In der Ikonografie (Fresken), der unteren Zone des Altarraums, stellt man meistens das Abendmahl dar.
Es kann sein, daß eine Kirche in Gebrauch ist, obwohl ihr Altar bzw. die Kirche selbst noch nicht geweiht wurden. Das liegt an den Regeln unserer Tradition, die bestimmen, daß die Kontinuität des Fortbestehens einer Kirche gesichert sein muß, damit sie geweiht werden kann. Aber auch wenn das nicht gewährleistet ist und Kirche und Altar infolgedessen nicht geweiht werden konnten, kann man den Raum gottesdienstlich nutzen. Man benutzt dann ein besonderes Tuch („Antiminsion“: Anti=Statt und Mensa=Tisch) zum Zelebrieren der göttlichen Liturgie, das auf eine einfache Platte aufgelegt werden kann.
Dr. theol. Konstantin Vliagkoftis